Prof. Dr. Dr. h. c. Joachim Metzner
Präsident der Fachhochschule Köln
Rede zum 25jährigen Jubiläum der A. W. Klein-Stiftung
Ich stehe hier für sehr viele, die von der A. Wilhelm Klein-Stiftung 25 Jahre lang profitiert haben: das sind 250 Stipendiatinnen und Stipendiaten, aber natürlich auch Institutionen, vor allem die Hochschule, deren Rektor ich bin, aber auch eine Reihe amerikanischer und russischer Universitäten. Und es waren ja nicht nur die Stipendiaten, die profitiert haben, sondern auch die Hochschullehrer, ja die ganze Hochschule. Es gibt also sehr viele gute Gründe, an diesem Tag ein herzliches Dankeschön zu sagen. Ich möchte dieses Dankeschön verbinden mit der Einladung zu einem kleinen Spaziergang in das Reich der Sprache, aus dem ich persönlich von meiner fachwissenschaftlichen Seite ja herstamme, und weil ich glaube, dass man durch eine kleine Übung im Nachdenken über ein Sprachphänomen dem Wesen und auch dem Erfolgsgeheimnis einer Stiftung und speziell dieser Stiftung etwas näher kommt.
Es gibt eine merkwürdige Besonderheit dieser Einrichtung, deren Jubiläum wir heute feiern, und das ist ihre Bezeichnung. Fast alle europäischen Sprachen, mit Ausnahme des Deutschen und des Niederländischen, benutzen für solche gebenden Institutionen eine Bezeichnung, die sich aus dem Lateinischen ableitet: fundatio, foundation, fundación, fundacão usw. Aus bestimmten Gründen, über die es sich nachzudenken lohnt, haben die Deutschen hierfür das Wort Stiftung, die Niederländer das Wort stichting eingesetzt – und dies schon zu einem Zeitpunkt, als das Wort Stiftung durchaus noch seine urspüngliche Bedeutung hatte. Das Wort stammt nämlich aus einem Bereich, in dem man es heute sicherlich nicht mehr vermutet: aus der Handwerkssprache. Stiften bezeichnet eine handwerkliche Tätigkeit, Stiftung ist eine bestimmte Technik. Den großen Stiftern des späten Mittelalters war dieser sprachliche Zusammenhang klar. Sie wussten, dass sie, wenn sie diese Bezeichnung benutzen, eine übertragene Bedeutung ansprachen. Was eine Stiftung ist, haben Sie alle schon einmal gesehen. Sie brauchen sich nur einmal einen Dachfirst oder die Konstruktion eines Fachwerkhauses anzusehen. Zwei Balken werden ineinander gefügt, dann wird ein Loch durch beide Balken gebohrt, in dieses Loch wird ein Stift geschlagen: das ist Stiften.
Die Frage ist, wie kamen diejenigen, die diese handwerkliche Tätigkeit auf den Bereich des Förderns übertragen haben, auf diesen Gedanken? Wenn Sie sich das Wort und die handwerkliche Tätigkeit einmal genauer betrachten, dann sehen Sie sehr schnell einen gemeinsamen Bedeutungskern. Stiften ist, so gesehen, im ursprünglichen wie im Übertragungsbereich eine Tätigkeit des Sicherns, des Stabilisierens. Stiften verleiht einer vorhandenen Konstruktion Dauerhaftigkeit. Das gilt für beide Bereiche, auf die sich die Bezeichnung bezieht, und es lohnt durchaus, auch eine heute tätige Stiftung ein wenig an dieser ursprünglichen Bedeutung zu messen.
Bevor wir dies tun, aber noch ein Blick auf jene andere lateinische Bezeichnung, die von den meisten europäischen Sprachen übernommen wurde. Wenn Sie ins englische Wörterbuch schauen, sehen Sie auch heute, dass foundation ein Wort ist, das nicht nur im Bereich der Institution auftaucht. Eine foundation ist auch eine Verschalung, wie man sie zum Gießen von Fundamenten oder Bodenplatten braucht. Auch hier gibt es also einen Zusammenhang zwischen handwerklicher Technik und materieller Unterstützung. Auch diese Doppelbedeutung hat eine weit zurückreichende Vorgeschichte. Fundation kommt von fundare, und fundare heißt gießen. Wenn Sie diesen gemeinsamen semantischen Kern sich einmal vor Augen führen, dann können Sie sehen, wie sich das in fundatio oder foundation und das in Stiftung zum Ausdruck gebracht Verständnis in ganz bemerkenswerter Weise ergänzen. Beides hat etwas zu tun mit dem Bauen, genauer mit dem Aufbauen. Das Stiften sichert das Ende eines Aufbauvorgangs, verleiht einer Arbeit Dauerhaftigkeit, stellt sicher, dass da nichts zusammenbricht. Die foundation ist eine Einrichtung, die dazu dient, erst einmal die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass etwas entstehen und funktionieren kann.
Von dieser kleinen Sprachbetrachtung ist es nur ein kurzer Schritt zur Tätigkeit und Funktion der A. W. Klein-Stiftung. Genau das, was die beiden Bezeichnungen aussagen, ist dort 25 Jahre lang passiert, wie sich die Mitglieder des Vorstands oder des Beirats unschwer erinnern können. Wir haben einerseits mit der Unterstützung von Professor Klein Fundamente gelegt, d. h. Voraussetzungen geschaffen, damit junge Menschen überhaupt in einen tertiären Bildungsprozess hineinkommen konnten. Insbesondere begabte junge Ausländer bekamen so erst die Chance an einer deutschen Hochschule studieren zu können. Aber auch deutsche Studierende bekamen eine Chance im Ausland zu studieren – zu Bedingungen, die sie anderes gar nicht hätten finanzieren können, etwa an renommierten Universitäten in den Vereinigten Staaten. Andererseits hat die Stiftung dem Bildungsprozess vieler junger Menschen in schwierigen Phasen Stabilität verliehen, manches Studium geradezu gerettet. Durch das Stiften von Geld konnte manches Mal sichergestellt werden, dass eine Ausbildung nicht im letzten Moment zusammenbrach und eine dauerhafte berufliche Qualifikation entstehen konnte.
So kann man festhalten, dass diese Stiftung in geradezu idealtypischer Weise das erfüllt hat, was man im kulturellen Kontext Europas von einer Stiftung erwartet. Wenn man daran denkt, dass es in Deutschland heute etwa 2700 Stiftungen gibt, dann kann man sich leicht vorstellen, dass dies nicht auf alle zutrifft. Umso schöner ist es, dass ich und andere in den Gremien der Stiftung Mitwirkende 25 Jahre lang die Möglichkeit hatten und noch haben, in vorbildhafter Weise das zu tun, was traditionell von einer Stiftung erwartet wird.
Nun war und ist erfolgreiches Stiften immer verbunden mit der Existenz einer starken Persönlichkeit, die das Ganze trägt. Aber zunächst einmal muss jemand die Kraft, das Engagement und den Mut zur Gründung einer Stiftung haben. Sie, sehr geehrter Herr Professor Klein, waren über alle Jahre hin mit der sehr konkreten Tätigkeit des Stifte Eintreibens, also des unumgänglichen Geld Eintreibens für diese Stiftung befasst. Ohne einen solchen Einsatz wäre diese Stiftung nicht entstanden. Es gibt für dieses Engagement nicht sehr viele vergleichbare Beispiele. Einen Stifter möchte ich hier erwähnen, der übrigens auch etwas mit Köln zu tun hat, weil er sich mit den Problemen und den Mühen des Stiftens beschäftigt hat. Ich möchte Ihnen ein kurzes Zitat geben vom Gründer einer Stiftung, die 1457 eingerichtet wurde. In diesem Zitat wird eine Gemeinsamkeit zwischen Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Klein, und Ihrem frühneuzeitlichen Kollegen deutlich. Ich rede von Nicolaus Cusanus, dem großen Universalgelehrten, der in Köln sein Studium abgeschlossen hat, und dessen Stiftung es bis heute in Bernkastel-Kues gibt. Er schrieb: „Auf den ersten Blick ist das Gründen einer Stiftung eine törichte Beschäftigung. Denn für den Stifter bedeutet es den Verzicht auf mancherlei Reichtümer. Aber die Welt wird ihn rühmen wegen seiner Großherzigkeit. Und einen guten Ruf zu haben wiegt immer schwerer als der Spott der Geizhälse.“ Offenbar kannte Nicolaus Cusanus noch den Zusammenhang zwischen dem großherzigen Unterstützen und dem handwerklichen Arbeiten. Denn er schreibt: „Die Gründung einer Stiftung gleicht dem Bau eines Hauses…“ Aber er war auch Theologe, und daher fährt er fort: „…und der Arbeit im Weinberg. Diese Arbeit ist oftmals mühsam und enttäuschend, aber zugleich fruchtbringend in Fülle. Darum ist Stiften der Mühe wahrlich wert.“ Wenn das auch die Erkenntnis ist, die Sie, sehr geehrter Herr Professor Klein, nach 25 Jahren Arbeit in Ihrer Stiftung mitnehmen, dann könnten wir alle ein gutes Gewissen haben, dass wir Sie in all diesen Jahren mit unseren Wünschen und Erwartungen gefordert haben.
Man darf allerdings einen Unterschied zwischen dem Cusaner und Ihnen nicht vergessen. Cusanus hatte es vergleichsweise leicht, denn er verwaltete lediglich den Weinberg seines Vaters, den er geerbt hatte und der ihm, zusammen mit seinen Pfründen als Kleriker, sehr viel Geld brachte. Sie, sehr geehrter Herr Professor Klein, haben sich da viel mehr angestrengt, um viele freundliche Menschen davon zu überzeugen, dass es sinnvoll sei, Ihnen für die Stiftung Geld zur Verfügung zu stellen. Besonders beeindruckend fand ich Ihre Bereitschaft, auf Geburtstagsgeschenke zu verzichten und lieber Geld für die Stiftung einzuwerben. Wenn man diese Mühen bedenkt, hat man umso mehr Grund, Ihnen heute ein ganz herzliches Dankeschön für die Errichtung, den Ausbau und die Arbeit in der Stiftung zu sagen. Wir werden Sie bei dieser Arbeit gern weiterhin begleiten.